Persönlicher Meinungsbericht

Moria: Eine katastrophale Odyssee

Von Matthew Hauseder

Am 8. September 2020 ereignete sich auf der Insel Lesbos ein verheerender Grossbrand, der das Flüchtlingslager Moria vollständig zerstörte. Über Nacht wurden ca. 12’000 Menschen obdachlos. Folglich fehlten auch Sanitäranlagen und die medizinische Versorgung. Rund um das abgebrannte Camp herrschte Chaos auf den Strassen; Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften und Einsatz von Tränengas demonstrierten die Härte der griechischen Behörden.

Das seit Oktober 2015 existierende Lager mit zeitweilig bis zu 20’000 Geflüchteten ist seit Jahren ein Brennpunkt. Dieses wurde ursprünglich nur für 2’800 Menschen konzipiert! Menschenunwürdige Zustände, fehlende Hygienemöglichkeiten und die mangelnde medizinische Versorgung sind nur wenige der vielen Missstände. Es ist jedoch nicht das einzige mit diesen Schwierigkeiten konfrontierte Lager. Das Sinnbild des Scheiterns einer desaströsen Migrationspolitik bleibt es allemal.

Seit Wochen diskutieren Mitgliedsstaaten des Schengen/Dublin-Raums sowie die EU über eine Aufnahme von Asylsuchenden aus Moria. Griechenland weigerte sich daraufhin, Ländern zu ermöglichen, Schutzbedürftige aufzunehmen; die Aufnahme von Geflüchteten könnte anscheinend eine falsche Signalwirkung gegen aussen aufzeigen und dadurch könnten weitere Camps angezündet werden, damit wieder eine Evakuierung erzwungen wird. Inzwischen wurden mutmassliche Verdächtige festgenommen, die EU beschloss einen neuen EU-Migrationspakt und der gesicherte Umzug durch die Polizei in das neue Übergangslager Kara Tepe auf Lesbos fand statt. Ein Weg der Besserung ist derzeit nicht in Sicht.

Ein politisches Versagen in Europa

Die Flüchtlingskrise ist extrem komplex. Allein durch die Dublin-Verordnung von 1990 ist derjenige Staat, wo die Asylantragstellenden zum ersten Mal die EU-Grenze passiert haben, dazu verpflichtet, das Asylverfahren nach dem Dublin-Verfahren anzuwenden. Südlichere EU-Staaten und der Balkan wurden durch die Flüchtlingskrise 2015 zum Auffangbecken der EU-Aussengrenzen.

Verschärfungen im Asylrecht, Grenzschutzeinrichtungen an der Balkanroute und auch das EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 sind nur einzelne kritische Ereignisse, die die Asylpolitik und die solidarische Grundhaltung der EU in Frage stellen. Unterschiedliche nationale Ansichten der Migrationspolitik sorgen dafür, dass sich kaum eine gemeinsame gesamteuropäische Lösung finden lässt, die auch den Geflüchteten ein sicheres und faires Asylverfahren gewährleistet und für nationalkonservative Staaten vereinbar ist. Auch der kürzlich beschlossene EU-Migrationspakt entlastet die Schengen/Dublin-Staaten an den Aussengrenzen kaum, obwohl die Möglichkeit bestünde: In Form eines Mechanismus, der im Falle einer starken Überbelastung an Asylanträgen eine verpflichtende Solidarität auslöst, die dann von der EU-Kommission wiederum überprüft wird. Jedes andere Schengen/Dublin-Land müsste sich zwischen mehreren Auswahlmöglichkeiten entscheiden: Die Aufnahme von Flüchtlingen mit einem Schutzstatus, anderweitige Unterstützung wie z.B. Migrationssteuerung oder eine sogenannte “Abschiebe-Patenschaft“.

Diese präsentiert sich aber nicht wie eine herkömmliche Patenschaft. Im Gegenteil: Ein EU-Staat übernimmt dabei die Verantwortung für die Rückführung einer bestimmten Zahl abgelehnter Antragstellenden in einem anderen Land. Eine ausgesprochene Farce, weil man die Anti-Migrationshaltung eher fördert anstatt nach einer Lösung zu suchen.

Nichtsdestotrotz: Eine auf Quoten basierende verpflichtende Umverteilung innerhalb der EU wird es weiterhin nicht geben, da dies laut der EU-Kommission nicht als durchsetzbar gilt, weil es für einige Mitgliedsstaaten nicht in Frage kommt. Jedoch wurde ein mehrstufiges finanzielles Anreizsystem entwickelt. Vom EU-Budget bekommen aufnehmende Länder 10´000 € pro Person, bei Minderjährigen 12´000 €.

Gemeinschaftliches solidarisches Handeln: Wie geht das?

Innerhalb der EU sollte nun unbedingt ein verpflichtender quotenbasierter Verteilschlüssel her! Die Blockadehaltung einiger Länder ermöglicht dies zwar vorerst nicht, da faktisch gesehen ein Vetorecht existiert und dieses auch angewendet wurde; zuletzt 2016. Deswegen müssen wir andere mögliche Lösungswege suchen.

Aus Schweizer Perspektive betrachtet gibt es einige Aspekte zu beachten. Die DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) leistet heute schon einen wichtigen humanitären Hilfsbeitrag für krisenbetroffene Länder und setzt auch eigene Projekte um. Somit wäre es sinnvoll, weiterhin die Entwicklungszusammenarbeit zu fördern und das Bundeshaushaltsbudget dafür zu erhöhen. Auch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und der EU gilt es zu stärken. Kritisch betrachte ich, wenn man sich die Situation in Moria einzeln anschaut, falls NUR vor Ort Hilfe geleistet wird in Form von Hilfsgütern oder medizinischer Unterstützung zum Beispiel. So könnte man indirekt ein “Weiter so” fördern und quasi somit auch die katastrophalen Zustände dort unterstützen. Als Mitglied des Schengen/Dublin-Raums ist die enge Kooperation, nicht nur bei der Migrationspolitik, ein wichtiges Zeichen aussenpolitischen Handelns der Schweiz!

Ferner könnte der Bund den Gemeinden oder Kantonen deshalb die Möglichkeit geben, in eigener Zuständigkeit Geflüchtete direkt aufzunehmen. Zugleich wäre die Wiedereinführung des Botschaftsasyls eine Chance, die den Asylsuchenden ermöglicht, in einer Schweizer Botschaft einen Antrag zu stellen, bevor sie die Risiken und Gefahren in Kauf nehmen, Richtung Schweiz zu flüchten.

Zudem stärkt eine allgemeine migrations- und fremdenfeindliche Attitüde auch eine klare Blockadehaltung gegen Asylsuchende oder “Fremdlinge” und ein oder zwei positive Äusserungen zu solchen Themen gelten dann auch noch nicht als effektive Solidarität.

Solidarität ist nicht nur eine Frage der Politik, sondern auch eine Frage an uns selbst!
Wollen wir als Schweiz nur gegenüber uns selbst solidarisch sein oder nicht auch gegenüber Menschen, die in Angst leben und vor Gefahren fliehen wollen, auf der Suche nach Schutz und endlich einem sicheren, “normalen” Leben? Sind wir als demokratisches und wohlhabendes Land nicht dazu verpflichtet, Menschen in Not Sicherheit zu bieten? Sind wir als Gesellschaft bereit, den Geflüchteten zu helfen, oder wollen wir weiterhin unseren eigenen Weg gehen und diese katastrophale Lage akzeptieren?

 

Matthew Hauseder

Aktives Mitglied der Junge Grünliberale Zürich, Fahrdienstleiter

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