Leserbrief
Warum es bei der Nationalitätennennung nie um Transparenz ging
Von Benjamin Gautschi
Seit die Stadtpolizei Zürich die Staatsangehörigkeit von tatverdächtigen Personen nur noch
auf Nachfrage offenlegt, läuft die SVP Sturm gegen die Praxis, weshalb am 7. März über die
kantonale SVP-Initiative zur Nationalitätennennung in Polizeimeldungen abgestimmt wird.
Die Initiative wie Gegenvorschlag begründen den Zwang zur Nennung in Polizeimeldungen
damit, dass die Nationalität von besonderem Interesse ist für „die öffentliche Sicherheit“,
nicht aber der Bildungsstand, das Einkommen oder sonstige sozioökonomische Merkmale.
Polizeimeldungen sind Einzelereignisse
Die Polizei informiert in Medienmitteilungen über Einzelereignisse, diese sind weder
statistisch signifikant noch für die Veranschaulichung oder Lösung eines Problems dienlich.
Belegt ist aus diversen Studien, dass die Berichterstattung über Einzelereignisse dazu führt,
dass die Lesenden ein verzerrtes Bild über die tatsächliche Lage erhalten. Dies beginnt
bereits bei der journalistischen Vorselektion, welche Medienmitteilung denn für einen Bericht
genutzt werden soll. Studien aus Deutschland zeigen da, dass Meldungen über
Ausländerkriminalität gemessen an allen Meldungen häufiger gedruckt werden. Dies zieht
sich weiter, denn auf der Seite der Lesenden wird die Kriminalität generell überschätzt und
die Ausländerkriminalität speziell. Im Vergleich dazu gibt es all diese Probleme bei der
Kriminalitätsstatistik nicht, diese zeigt denn auch die Realität und keine von
Einzelereignissen überschattete Scheinrealität. Genau dafür kämpft die Gegnerschaft der
Nationalitätennenunng, niemandem geht es um die Unterschlagung von Informationen wie
dies Mario Stäuble in seinem Beitrag unterstellt.
Nationalität keine Ursache für kriminelles Verhalten
Die Forderung nach der Nennung von Nationalitäten kommt daher, dass gewisse Kreise
meinen, kriminelles Verhalten habe seinen Ursprung in der Herkunft einer bestimmten
Person. Wie uns die kriminologische Forschung lehrt,, ist dem nicht so. Kriminalität ist primär
eine Frage der Bildung, der sozialen Schicht und weiterer Faktoren. Es ist deshalb absurd,
dass Mario Stäuble in seinem Kommentar von „Fakten benennen“ schreibt, wenn dieser
Fakt den er benennen möchte, nicht die Ursache für die Tat ist. Durch die Nennung von
Nationalitäten in Polizeimeldungen wird ein sinnfreier Zusammenhang bei Lesenden
konstruiert, ähnlich wie wenn gesagt werden würde, dass ein Tatverdächtiger am Morgen
vor seiner Tat Vollkornbrot zum Frühstück gegessen hat. Dieses Vollkornbrot mag zwar ein
Fakt sein, es gibt jedoch wie bei der Nationalität keinen Zusammenhang zu einem
kriminellen Verhalten.
Nationalität wird nicht verheimlicht
Mario Stäuble führt in seinem Meinungsstück aus, dass die Gegnerschaft der
Nationalitätennennung Fakten verheimlichen wolle. Dies ist gleich doppelt falsch: Erstens
wäre es bei Ablehnung von Initiative und Gegenvorschlag weiterhin möglich, die Nationalität
von Tatverdächtigen zu erfahren, Journalistinnen und Journalisten müssten aber aktiv bei
der Stadtpolizei nachfragen, bei der Kantonspolizei wäre die Nennung weiterhin
automatisch. Zweitens ist diese Information weiterhin und richtigerweise in der
Kriminalitätsstatistik vorhanden, sie würde also auch künftig keinesfalls verheimlicht.
Unschuldsvermutung wird geritzt
Nach heutiger Rechtslage muss Polizei und Staatsanwaltschaft nicht zwingend über eine
Straftat informieren, die Strafprozessordnung lässt dies aber zu, wenn es bei der Aufklärung,
der Beruhigung, zur Richtigstellung von Gerüchten oder wegen der besonderen Bedeutung
einer Straftat nötig ist. Dies aus guten Gründen, denn solche Meldungen ritzen die
Unschuldsvermutung von Verdächtigen, da sie in Zusammenhang mit einer Tat gebracht
werden, bevor sie sich verteidigen konnten und ihre die Verantwortlichkeit in einem
rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt wurde. Diese Vorverurteilung steht den
verfassungsmässigen Rechten der Verfahrensfairness und der Unschuldsvermutung
entgegen. Aber auch Lesende werden in die Irre geführt, da einmal kommunizierte
Polizeimeldungen bei später nicht verurteilten Personen kaum richtig gestellt werden, bei
Angeschuldigten bleibt also etwas haften.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die zwingende Nennung der Nationalität kein
Mehrwissen generiert und das Transparenzargument einzig ein Strohhalm ist. Ein Nein zur
Initiative und zum Gegenvorschlag ist unverzichtbar.

Benjamin Gautschi
Vorstand GLP Kt. Zürich und JGLP Kt. Zürich