Mit Liebi für Bärn – ein Jahr nach meiner Wahl in den Berner Stadtrat

Mein Name ist Corina Liebi und ich wurde im November 2020 für die Jungen Grünliberalen in den Berner Stadtrat gewählt.

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Dieser bildet nicht wie in Zürich die Exekutive, sondern das städtische Parlament (Legislative). In diesem Beitrag möchte ich erzählen, wie mein erstes Jahr in diesem Amt war und wieso es sich lohnt, für ein solches Amt zu kandidieren und zu kämpfen.

Es bitzeli nervös war ich schon, als ich im Januar 2021 an meiner ersten Sitzung als Berner Stadträtin teilnahm. In der Woche vor der ersten Sitzung hatten wir uns bereits in der Fraktion getroffen, um die traktandierten Geschäfte vorzubesprechen. Wegen der Corona-Pandemie fand natürlich alles per Zoom statt. Eine Woche später machte ich mich also mit meinem PubliBike auf den Weg in die Berner Expohalle, wo das Parlament tagte. Bis im Sommer 2021 durften wir leider nicht ins Rathaus. Ich hatte per Post einen Badge zugestellt bekommen, mit dem ich vor Ort einstempeln musste. Dort angekommen, machte ich mich auf die Suche nach meinem Tisch. Er war mit meinem Namen und einer Nummer beschriftet, und dort verbrachte ich meine erste Sitzung. Es war schon etwas komisch, sich nur per Chat mit den anderen Fraktionsmitgliedern austauschen zu können, weil wegen der Pandemie alles viel weitläufiger bestuhlt war. Besonders, wenn man das erste Mal dort ist und keine Ahnung hat, wie die Abläufe funktionieren, geschweige denn, wie man die provisorische Abstimmungsanlage bedient.

Der ganze Ratsbetrieb war neu für mich. Ich hatte mir alles etwas geordneter vorgestellt. Die Menschen wuselten im ganzen Raum herum, trafen Absprachen mit anderen Fraktionen oder einzelnen Ratsmitgliedern und so liess ich die erste Sitzung auf mich einprasseln. Ich schaute zu und lernte. Zwei Wochen später durfte ich dann auch mein allererstes Votum im Rat halten (hier geht’s zum Votum: https://www.instagram.com/tv/CMA3F30n1b_/?utm_source=ig_web_copy_link). Ich war ultra nervös. Zwar hatte ich mich vorab gut vorbereitet, meinen Text aufgeschrieben – auf Bärndütsch natürlich, weil der ganze Ratsbetrieb auf Schweizerdeutsch gehalten wird – als ich dann aber vorne am Mikro stand, empfand ich es doch als sehr unangenehm. Als die ersten Worte gesprochen waren, ging aber auch das ganz fix. Eine Woche später hatte ich dann meine erste Kommissionssitzung. Ich bin seither in der Kommission für Soziales, Bildung und Kultur dabei. Die Kommissionsarbeit empfinde ich als äusserst spannend, denn die Diskussionen sind viel tiefgreifender als im Rat, wo alle bereits mit ihren gemachten Meinungen erscheinen.

Generell war ich überrascht, wie schwierig es ist, Mehrheiten zu finden. Denn auch mit einem guten Kompromissvorschlag ist häufig nicht viel zu erreichen. Aus für mich unverständlichen ideologischen Argumentationen heraus werden Vorstösse angenommen oder abgelehnt. Häufig geht es nur «um’s Prinzip», auch wenn die Idee gar nicht schlecht wäre. Das ist für mich oftmals sehr frustrierend. Auch die Spielchen, die immer wieder im Hintergrund ablaufen, haben mich zu Beginn doch recht schockiert. Ich wünsche mir sehr, dass wir hier künftig pragmatischer und sachorientierter diskutieren können. Die Arbeit in der Fraktion, aber auch im Rat, gefällt mir ansonsten sehr gut. Ich finde es sehr motivierend, meine Meinung aktiv einbringen zu können und auch gehört zu werden.

Wenn man sich sorgfältig auf die Sitzungen vorbereiten will, nimmt das doch einige Zeit in Anspruch. Diese investiere ich aber sehr gerne, um meinen Pflichten, die mit dem Amt einhergehen, auch zu erfüllen. Ich durfte in den letzten Wochen und Monaten sehr viele interessante Gespräche führen und spannende Menschen kennenlernen. Das ist es auf alle Fälle wert.

Am 4. Februar 2021 habe ich zudem meinen ersten Vorstoss «Erwerbsanreiz statt Ruhestandsrente – Anpassung der Gemeinderatsrenten» zusammen mit Michael Ruefer eingereicht (https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=3e9cb07b90b847f1b21681d30f95939d). Es geht darum, dass Berner Gemeinderätinnen und Gemeinderäte nach ihrem Rücktritt oder einer Abwahl nicht bis zur Pensionierung ein Ruhegehalt resp. eine Ruhestandsrente ausbezahlt bekommen. Geld zu kassieren, ohne etwas dafür zu tun, ist einfach nicht angebracht. Nicht zuletzt, weil die Gemeinderatsmitglieder immer jünger werden und damit auch über einen längeren Zeitraum Geld ausbezahlt werden muss. In Anbetracht der Spardebatte und dem drohenden Defizit von 30 Mio. Schweizer Franken im Rechnungsjahr 2021 ist das ein Schlag ins Gesicht der Bevölkerung. Auch der Bund hat ausführlich darüber berichtet (https://www.derbund.ch/angriff-auf-goldene-fallschirme-fuer-berner-gemeinderaete-830861125257).

Ich werde immer wieder von Leuten gefragt, warum ich mich politisch engagiere. Ganz ehrlich: Finanziell komme ich damit nicht auf einen grünen Zweig. Aber es erfüllt mich mit Freude, mich für etwas Sinnstiftendes einzusetzen und etwas zu bewegen in unserer Welt, und das kann ich am besten dort, wo die Politik gemacht wird – in unseren Parlamenten und Exekutiven. In der Politik ist kein Tag gleich wie der andere. Ich finde es sehr faszinierend, dass man sich immer wieder aus der eigenen Komfortzone herausbewegen muss und dabei mit Themen konfrontiert wird, mit denen man sich sonst niemals befassen würde. Hätte mir vor fünf Jahren jemand gesagt, dass ich mich mit den rechtlichen Regulierungen von Airbnbs auseinandersetzen würde, hätte ich wohl herzhaft gelacht. Nun ja, ich freue mich sehr auf alle künftigen Herausforderungen, die dieses Amt mit sich bringen wird, und bin gespannt, was noch alles auf mich zukommt.