Schulsystem vor Kollaps, während Skitribünen in Wengen gefüllt sind

Corona verschärft ein lange bekanntes Problem: Wir haben zu wenige Lehrpersonen. Damit wird der Unterricht zur Betreuungsstunde, die Schüler:innen lernen kaum etwas. Unausgebildete stehen hinter dem Pult und passen auf die Kids auf.

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Das Problem ist ähnlich akut wie beim Pflegepersonal – an den Schulen hängen hunderttausende Kinder und Jugendliche und an ihnen Familien- und Betreuungssysteme.

Aus Mangel: Lehrpersonen ohne Zulassung an Schulen

Der Kanton Zürich trat auf die Vollbremse. Aus akutem Lehrpersonenmangel sind bis zu den Sommerferien nicht nur ausgebildete Lehrpersonen vor den Klassen anzutreffen, sondern auch Studienabbrecher:innen der PHZH, Studierende, die durch die Prüfung gefallen sind und Lehrpersonen ohne anerkannte Lehrdiplome. Damit wird der Unterricht zur Hütestunde für Kinder bis 16 Jahren. Auf der Strecke bleibt die Bildung.

Kuriose Vor- und massive Nachteile seit Corona

Selbstverständlich beschäftigen sich auch die Schulen mit der x-ten Coronawelle. Aktuell fehlen zig Lehrpersonen, weil sie in Isolation oder Quarantänen sind oder zu Hause ihre Kinder betreuen, die auf Testergebnisse warten. Viele meiner Kommiliton:innen setzen nun auf das schnelle Geld, weil spontane Einsätze gut bezahlt sind und der Bedarf während Covid nochmals gestiegen ist, statt auf das Studium und fallen durch die Prüfungen.

Die Massnahmen in den Schulen sind strikt, werden von uns Lehrpersonen kontrolliert und werden somit wohl strenger eingehalten als im öffentlichen Verkehr. Das ständige Lüften, das Arbeiten in Kappe und Winterjacke führt jedoch auch zu Problemen. Husten, Schnupfen, kaum Bewegungsfreiheit und die 16-Jährigen passen mit den dicken Jacken kaum mehr zu zweit an einen Tisch. Aber den Schüler:innen ist es teilweise auch ganz recht: Mit der Maske können sie sich während einer Prüfung ungestört Lösungen zuflüstern – die Lehrperson sieht ja nicht, wer geredet hat.

Lehrpersonenmangel schon lange bekannt

Bereits zu Beginn meiner Ausbildung im Jahr 2018 war klar: Ich habe den richtigen Beruf gewählt. Von Dozierenden und den Schulleitungen wurde uns versichert: Ihr könnt eure:n Arbeitgeber:in frei wählen, wir brauchen jede:n einzelne:n. Für den Mangel gibt es mehrere Gründe: Die Babyboomer erreichen das Pensionsalter, die Zahl der Schüler:innen steigt rasant. Ein weiterer Grund: Durch die Pensionierungen der phil. I und phil. II Lehrpersonen werden stereotypische Stellen frei. Mathe und Naturwissenschaften auf der einen, Sprachen auf der anderen Seite. Wir Studierenden werden heute jedoch anders ausgebildet, die Fächerwahl ist divers möglich, Kombinationen von Mathe und Englisch sind heute normal. Stellen können somit nur teilweise besetzt werden. Zusammen mit der sowieso erhöhten Teilzeitarbeit der letzten Jahre wird der Mangel verstärkt.

Systemrelevanz der Schulen

Von Schulschliessungen betroffen wären, wie wir vor zwei Jahren gemerkt haben, nicht nur die Kinder und Jugendlichen – sondern ganze Familien- und Betreuungssysteme. Nicht umsonst gilt mein Beruf als systemrelevant. Dass die Lehrer:innen und Schulleitungen zusammen mit den Schüler:innen einen hervorragenden Job machen, ist unumstritten. Man wird kaum Lehrer:in, ohne das Beste für die Schüler:innen zu wollen. Wir haben wohl eine ähnliche Arbeitsethik wie das Pflegepersonal. Deshalb fordere ich, dass umgehend Massnahmen getroffen werden, mit denen der langfristige Lehrpersonenmangel bekämpft werden kann, die Ausbildung attraktiver wird und kreative Alternativen und Notfalllösungen für die Pandemiesituation gefunden werden. Ich möchte keine geschlossenen Schulen, solange die Ski- und Fussballtribünen weiterhin gefüllt sind. Konkrete Massnahmen werde ich in einem zweiten Teil vorschlagen.